Nürnberg/Fürth (pr) – Wenn zwei Menschen vor den Traualtar treten, tauschen sie Ringe. Was aber tauschen zwei Handwerks-innungen, die sich das Ja-Wort geben? Wer hätte das gedacht: die Kassenschlüssel! Diese lustige Idee verwirklichten nun die ehemaligen und aktiven Obermeister der Schreiner-Innungen Nürnberg und Fürth, die zum 1. Januar 2021 zur Schreiner-Innung „Mittelfranken-Mitte“ fusioniert sind – mit über 80 Mitgliedern eine der größten Bayerns. Vor gut 70 Gästen, darunter Bayerns Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, Kerstin Schreyer, holten sie sich in der Nürnberger Jakobskirche den Segen für ihre stadtgrenzenüberschreitende „Ehe“.
Bei einem ökumenischen Gottesdienst ließen beide Pfarrer den Humor nicht zu kurz kommen: Pfarrvikar Christian Körber (katholisches Pfarramt St. Martin) wies auf das weltweite Mindestalter von 14 Jahren für die Ehefrau und 16 Jahren für den Ehemann hin – angesichts des Gründungsjahres der Nürnberger Innung 1886 und der Fürther Innung 1914 also kein Problem. Der Geistliche, selbst gelernter Schreiner, verglich die Ehe mit einer Holzkonstruktion: ob frisch geschlagen oder gut abgelagert, jedes Teil trage zum Zusammenhalt bei, und erst ein guter Geist als Unterbau sorge für Bestand auch in Sturmzeiten.
Pfarrer Hannes Schott (evangelisches Pfarramt St. Jakob) erinnerte nicht nur an Wagners „Meistersinger von Nürnberg“, sondern auch an die Handwerkertradition um den Jakobsplatz, wovon Namen wie Zirkelschmied- oder Schlotfegergasse zeugen. Nach der „standesamtlichen Trauung“ (Innungsbeschlüsse vom 15. Oktober 2020) stellte er nun in der Kirche die Frage: „Wollt Ihr als eine gemeinsame Handwerkerinnung nach Gottes Willen leben und auf seine Güte vertrauen? Wollt Ihr zusammenarbeiten in Freude und Leid euer Arbeitsleben lang? Wollt Ihr für andere da sein und tun, was dem Frieden dient, so sprich: Ja, mit Gottes Hilfe.“ Das taten Heinz Hufnagel, ehemaliger Obermeister der Innung Fürth, Philip Gracklauer, ehemaliger Obermeister der Innung Nürnberg und heute stv. Obermeister, sowie Claus Fleischmann (Fürth), seit 2021 neuer Obermeister der Innung „Mittelfranken-Mitte“, denn auch gern – und tauschten zur Bekräftigung ihre Kassenschlüssel.
Dass zwei Innungen mit langer Tradition gemeinsam neue Wege gehen, lobte Kerstin Schreyer in einem Grußwort als weitsichtig. Sie dankte den Schreinern für ihre Qualitätsprodukte, ihr Engagement in der Corona-Krise und ihre Ausbildungsleistung. Im Nachwuchsbereich würde sich die CSU-Politikerin noch mehr Mädchen für diesen attraktiven und kreativen Beruf wünschen.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König gab das Schlagwort aus: „Die Tradition bewahren und gemeinsam die Zukunft gestalten!“ Er versicherte den Schreinern: „Wir brauchen Euch!“ Und nicht nur als Ausführende für zwölf geplante Schul-Neubauten. Nürnberg wie Fürth seien erst durch ihre Handwerker groß geworden. Das sollte künftig in der Gesellschaft sichtbarer gemacht werden, um junge Menschen zu begeistern und den Berufsnachwuchs zu fördern. Nach Angaben des CSU-Politikers gibt es in der Noris über 5000 Handwerksbetriebe, die ein Sechstel aller Arbeitsplätze stellen.
Markus Braun, Bürgermeister der Stadt Fürth, lobte, dass sich die Schreiner-Innungen offen zeigten für Neues. Sie machten vor, was im Fußball und in der Politik undenkbar sei: Für einen Vorschlag zum Zusammenschluss beider Städte sei der Fürther Stadtrat vor 100 Jahren davongejagt worden. Gründlich zu überlegen, sei eine gesunde Basis für solche Schritte. Auch der SPD-Politiker wünschte sich mehr Präsenz der Innungen im städtischen Leben und viel Erfolg bei der Nachwuchsausbildung.
Jörg Ludwig Jordan, Präsident der IHK Kassel und mit seinem Unternehmen W. & L. Jordan GmbH als Händler für Holz und Bodenbeläge auch mit drei Standorten in Nürnberg vertreten, forderte mehr Holzbau in Deutschland. Denn dieser wertvolle Rohstoff wachse unbegrenzt nach und speichere pro Kubikmeter 1 t CO2. Sein Unternehmen hat eine Stiftung gegründet, die nicht nur die Aufforstung, sondern auch die Ausbildung im Handwerk fördert. Denn die Gefahr bestehe, dass durch den Renteneintritt der „Babyboomer“ die Zahl der Fachkräfte in 14 Jahren um 25 Prozent sinke. Er überreichte Claus Fleischmann eine Ehrenurkunde zur Innungsfusion, eine Spende über 1000 Euro und eine echt hessische Ahlewurst.
Mit Fürbitten beteiligte sich Schreinersgattin Maria Popp (Fürth) am Gottesdienst – u.a. für künftigen Zusammenhalt in Betrieben und in Gedenken an die jüngsten Flutopfer.
Obermeister Claus Fleischmann empfing die Gäste anschließend zu einem Imbiss im Pfarrgarten und bilanzierte erste Meilensteine der neuen Innung: So habe man die vielen Umweltaktivitäten der Betriebe (z.B. Baumpflanzungen, Einsatz von Photovoltaikanlagen, Solarkollektoren, Wärmerückgewinnung/-dämmung, Hackschnitzel-, Pelletsheizungen, LED-Beleuchtung) detailliert ermittelt und sei dem Umweltpakt Bayern beigetreten. Die Fusion der Innungen Nürnberg und Fürth nannte er augenzwinkernd „eine reine Liebesheirat“ – auch noch nach gegenseitigem Blick in die Kassen!
Sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gratulierte den Innungen zur Fusion. In einer zweiminütigen Videobotschaft zieht er den Hut vor den Leis-tungen des Handwerks, das auch sein Vater als Maurer ausgeübt habe. Seinen Großvater zitiert er mit dem Satz: „Wissen ist wenig, Können ist König.“ Und solche Könner seien die Schreiner.